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Neutropenes Fieber
Intensivmedizinische Eckpfeiler
Konstantin Schraepler, Bremen
ich bevorzuge anstatt des Begriffes "neutropenes Fieber" den Begriff "febrile Neutropenie", da hier die Neutropenie im Fokus steht
... nicht das Fieber
... es hilft nichts
Kommt ein Patient mit neutropenem Fieber auf die Intensivstation, so kann ich ihn nur adaequat behandeln wenn ich seine Krankenakte kennen.
... denn die für mich als Intensivmediziner relevanten Informationen stehen hier
Sie sind nicht anhand der Klinik zu erkennen.
... wenn ich Glück habe liegt ein Arztbrief mit Diagnoseblock vor
.... und wenn ich noch mehr Glück habe ist liegt ein kurzer Krankheitsverlauf vor
... so wie in diesem Falle
Intuition, Patient von Station schieben?
was bringe ich als Intensivmediziner mit?
NEIN,
...denn ich habe ein Interesse an diesen Patienten
Interesse an der intensivmedizinischen Versorgung hämatologischer Erkrankungen
Wissen über die intensivmedizinische Therapie neutropener Patienten
Intensivmedizin und Neutropenie
neutropenes Fieber = Neutrophilenzahl <500/mm³ und Temperaturen oral anhaltend ≥38,0°C über 3 h oder einmalig ≥38,3°C
- ca. 30 % intensivmedizinischer hämatoonkologischer Patienten neutropen
- zugrunde liegende Malignitäten: akute Leukämien 50%, Lymphome ca. 25%
- stammzelltransplantiert BMT- oder HSCT ca 35%
- 5 häufigsten Gründe der intensivmedizinischen Aufnahme:
- Sepsis (ca. 80%)
- respiratorisches Versagen (ca. 65%)
- Schock ca. 60%
- akutes Nierenversagen ca. 20%
- neutropene Enterokolitis ca. 15%
- ggü. nicht-immunsupprimierten Patienten deutlich unterschiedliches Erregerspektrum
Gea-Banacloche J (2013) Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2013:414-422
Mokart D (2015) Intensive Care Med 41:296–303
Wie bringe ich
Ordnung in mein Behandlungskonzept
… und wie gehe ich strukturiert vor?
meine Aufgaben
- Sicherung der Vitalfunktionen
- Versorgung mit Therapiehilfen
- gründliche Untersuchung des Patienten
- Erfassung der Vordiagnosen
- Durchführung der ausstehenden Diagnostik (Labor, HR-CT!)
- Fortführung und Ergänzung der hämatoonkologischen Therapie
was muss ich beachten?
… wie helfe ich dem Patienten, obwohl ich (noch) wenig vom Krankheitsbild verstehe?
Blick auf die Neutropenie
Blick auf die Grunderkrankung
wie lautet die Grunderkrankung, wie ist sie einzuordnen?
- ist die Immunabwehr bereits durch die Grunderkrankung beeinträchtigt?
- welche hämatopoetische ist Zellreihe ist betroffen?
- welches spezifisches Keimspektrum ist daher zu erwarten?
- sind bestimmte Organsysteme krankheitsbedingt beeinträchtigt?
Blick auf die bisherige Therapie
welche therapeutischen Zugänge sind vorhanden?
Venenkatheterinfektion 5% der Fälle, Mortalität ca. 30%
liegender ZVK, Port, Sonden jeglicher Art?
Koagulase-negative Staphylokokken, Staphylococcus aureus, Corynebacterium spp., Pseudomonas aeruginosa (Ectyhma gangraenosum), Stenotrophomonas maltophilia, sehr selten: atypische Mykobakterien, Aspergillus spp.
Exner M (2010) Bundesgesundheitsbl 53:357–388
Mokart D (2015)Intensive Care Med 41:296–303
welche hämatoonkologische Therapie wird durchgeführt?
- Art der Chemotherapie (Substanzen, Zyklus, Zeitpunkt)
- Toxizitäten der Chemotherapie?
- stammzelltranplantierter Patient?
- autologe Stammzelltranplantation?
- allogene Stammzelltranplantation?
z.B. Erholung aus der Neutropenie geht bei bis zu 50% der Patienten mit Verschlechterung der respiratorischen Situation einher
pneumotox.com
Rhee CK et al. (2009) Crit Care 13:R173
Interaktionsdatenbank: Department of Pulmonary Medicine and Intensive Care University Hospital Dijon, France
was muss der Intensivmediziner tun?
welche Vorkehrungen muss ich treffen?
... zur Vermeidung von Komplikationen und zur Verkürzung der Behandlungsdauer
stationäre Kosten bei Auftretens einer Neutropenie von ca. $ 7,100- $ 19,100 pro Patient
Stokes ME (2009) J Manag Care Pharm 15:669-682
Was muss ich
in der Behandlung beachten?
antibiotische Therapie, wenn nicht schon erfolgt
- neutropene Sepsis ist ein medizinischer Notfall
- Definition: Neutrophile <500/µl und Temperatur >38°C oder Zeichen/ Symptome einer Infektion
- Indikation zur sofortigen Antibiotikagabe (< 2 Stunden):
- 20% der Patienten besitzen bei Intensivübernahme keine adaequate Antibiotikatherapie
- kalkulierte Antibiotikatherapie
- verstärkte Nutzung von Breitspektrum-Antibiotika führen vermehrt zu Infektionen mit Carbapenem- und Multidrug-resistenten Erregern sowie Prädisposition für Pilzinfektionen und Clostridium difficile-Colitis
- kein Abwarten des mikrobiologischen Infektionsnachweis
- bei Modifikationen keine "Antibiotikapause" zur Diagnostik
Larché J (2003) Intensive Care Med 29:1688-1695
Mokart D (2015) Intensive Care Med 41:296–303
kalkulierte antibiotische Therapie: ECIL-4-Guidelines
- Umsetzung der Grundsätze der Eskalation und Deeskalation für das Management von febrile Neutropenie
- sehr wenige Daten über Deeskalationsstrategie bei klinisch relevantem Erregernachweis
- keine Daten über Deeskalationsstrategie ohne klinisch relevantem
Erregernachweis
- Ansatz minimiert Resistenzentwicklungen ggü. Carbapenemen, Toxizität und Kosten
Ritchie S (2007) Intern Med J 37: 26–31
Averbuch D (2013) Haematologica 98: 1826–1835
Eskalationstherapie:
Ceftazidim* | Cefepime | Piperacillin/Tazobactam
- initiale empirische Monotherapie, welche die meisten Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa abdeckt
- keine Abdeckung von ESBL- oder Carbapenemase-Bildnern bzw. sonstigen MDR
- obwohl AI-Empfehlung der IDSA zurückhaltender empirischer Einsatz von Carbapenemen bei fehlenden Risikofaktoren für resistente Bakterien, um Resistenzentwicklungen vorzubeugen
- Einsatz eines Antibiotikums (bzw. Kombination) mit einem breiteren Spektrum bei klinischer Verschlechterung oder mikrobiologischem Nachweis resistenter Erreger
*Ceftazidim nur begrenzte Wirkung ggü. Gram-positiver Bakterien
Freifeld AG (2011) Clin Infect Dis 52:e56-e93
Averbuch D (2013) Haematologica 98: 1826–1835
De-Eskalationstherapie:
Carbapeneme | ß-Lactam + Colistin (±Rifampicin) o. Aminoglycosid
- sehr breite initiale empirische Therapie zur Abdeckung hochresistenter Erreger
- wie z.B. ESBL-Bildner und MDR-Pseudomonas aeruginosa
- frühzeitige Abdeckung (multi-)resistenter Gram-positiver Kokken durch Glycopeptide oder neuere Antibiotika
- De-Eskalation auf ein Antibiotikum mit engerem Spektrum sobald mikrobiologisch kein resistenter Erreger nachzuweisen bzw. Resistogramm für einen resistenten Erreger vorliegt
- bei fehlendem Nachweis einer Grampositiven Infektion Absetzen nach 2 Tagen von Vancomycin bzw. einer anderen Abdeckung für grampositive Organismen
Freifeld AG (2011) Clin Infect Dis 52:e56-e93
Averbuch D (2013) Haematologica 98: 1826–1835
Eskalations- oder De-Eskalationsstrategie?
initiale kalkulierte Therapie abhängig von:
- lokale bakterielle Epidemiologie und Resistenzlage
- epidemiologische Daten sollten durch kontinuierliche Überwachung der lokalen Erreger und deren Resistenzen gesammelt werden
- patientenbezogene Risikofaktoren für resistente Keime
- patientenbezogene Risikofaktoren für einen komplizierten klinischen Verlauf
Averbuch D (2013) Haematologica 98: 1826–1835
wann setze ich die antibiotische Therapie ab?
- bei fehlendem Nachweis einer Gram-positiven Infektion Absetzen nach 2 Tagen von Vancomycin bzw. anderer Abdeckung für grampositive Organismen
- Absetzen der i.v.-Antibiotika unabhängig der Neutrophilenzahl und voraussichtlicher Dauer der Neutropenie bei:
- hämodynamischer Stabilität >72 Stunden
- afebril >48 Stunden
- bei multiresistenten Keimen:
- Therapie min. 7 Tage
- afebril min. 4 Tage
- strenger Überwachung mindestens 24-48 Stunden nach Absetzen
- IDSA: initiale empirischen Therapie fortsetzen bis klares Engraftment (Neutrophile >500/µl)
Freifeld AG (2011) Clin Infect Dis 52:e56-e93
Averbuch D (2013) Haematologica 98: 1826–1835
Diagnostik
Labor
- Entzündungsparameter
- bislang keine prospektiven Studien über Nutzen unspezifischer Entzündungsparameter wie CRP, PCT
- Erhöhung durch Grunderkrankung oder Mukositis?
- unterdrückte Synthese durch Chemotherapie?
- CMV-PCR, EBV-PCR, HIV-PCR
- Galaktomannan-Antigen (Aspergillus-Ag)
- cave falsch positive Werte unter Behandlung mit ß-Lactamantibiotika
- LDH
- Aktivität der Grunderkrankung?
- Legionellen-Ag im Urin(?)
- keine kontrollierten klinischen Studie bislang
Gorschluter M et al. (2002) Br J Haematol 117:351–358
Mikrobiologie: Lunge
- Bronchoalveoläre Lavage: 20% d.F. zusätzliche diagnostische Informationen
- Bakterien- und Pilzkulturen (einschließlich Nocardia)
- PCR auf respiratorische Viren: Respiratory Syncytial Virus, Influenza A und B
- Mykoplasmen
- direkte Fluoreszenzmikroskopie und PCR auf PCP
- Mycobakterien-Abstrich und Kulturen
- Zytologie, inkl.Hämosiderin-beladene Makrophagen
- Zellzählung und Zelldiffernzierung
- in der Mehrzahl kein beweisender Befund trotz Lungeninfiltraten
- 75% der invasiven Pilzinfektionen erst post mortem autoptisch zu sichern
Azoulay E et al. (2010) Am J Respir Crit Care Med 182:1038-1046
Mikrobiologie: weiteres
- Stuhldiagnostik:
- Kulturen
- PCR auf CMV, Adenoviren, Rotaviren
- Test auf Clostridium-difficile Toxin
- Liquorpunktion:
- Zellzahl
- Kultur auf Bakterien und Pilze
- PCR auf neurotrope Viren: CMV, HHV-6, HSV1, HSV2, JCV
- Ophthalmoskopie:
- Echokardiographie:
spezielle Aspekte des Einsatzes von Blutprodukten bei neutropenem Fieber
- bestrahlte Blutprodukte in Abhängigkeit der Grunderkrankung und der Therapie (Erythro-, Thrombo-, Granulozytenkonzentrate)
- Vermeidung Transfusions assoziierter Graft-versus-Host-Reaktion TA-GvHD durch Übertragung von immunkompetenten T-Lymphozyten; Auftreten 4-30 Tage nach Transfusion, Mortalität 90%, keine bekannte effektive Therapie
- CMV-negative Blutprodukte nicht notwendig
- Leukozyten-depletierter zellulärer Blutkomponenten gleichwertig
- Thrombozytenkonzentrate bereits bei <20000/µl
Kopolovic I (2015) Blood 126:406-414
Querschnitts-Leitlinien(BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten (2014)
... after all
erfolgreiche intensivmedizinische Versorgung der febrilen Neutropenie
- spezifisches Wissen des Intensivmediziners
- gute Zusammenarbeit mit dem Hämato-Onkologen
um jedem Patienten einer individuell angemessenen (im medizinischen Sinne, in Hinblick auf die Lebensqualität, zur Verfügung stehenden Ressourcen) erfolgreichen Therapie zuzuführen