echo-intensiv

kardiale Auswirkungen von COVID-19


Einleitung

Seit seiner Entdeckung im Dezember 2019 hat sich die durch das SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2) verursachte COVID-19 weltweit rasch ausgebreitet und eine Pandemie verursacht. Die schwere SARS-CoV-2-Infektion kann nicht nur zu einer beidseitigen interstitiellen Pneumonie (bis hin zum ARDS) führen, sondern hat erhebliche Morbiditäts- und Mortaliäts-steigernde kardiovaskuläre Auswirkungen. Die Beziehung zwischen der SARS-CoV-2-Infektion und kardiovaskulärer Erkrankungen sind komplex und bisher wenig verstanden (Stand 17.05.2020). Auf der einen Seite zählen die kardiovaskulären Komplikationen zu den schwerwiegendsten von COVID-19 auf der anderen Seite sind kardiovaskuläre Komorbiditäten bei schwer COVID-19-Erkrankten häufig.1

Warum KHK-Patienten schwerer betroffen sind

Das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen korreliert im Allgemeinen mit zunehmendem Lebensalter und den bekannten Risikofaktoren wie männliches Geschlecht, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie und Adipositas. Diese Patienten sind es, die mit mit höherer Wahrscheinlichkeit einen schweren COVID-19-Verlauf nehmen.2,3,4 Es wurde in China über eine 5-fache Mortalitätssteigerung (10,5%, nicht altersbereinigt) bei Vorliegen einer kardiovaskulären Erkrankung im Rahmen von COVID-19 berichtet.5

Die höhere Mortalität von Patienten mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen kann daher direkt auf die zugrundeliegende kardiovaskuläre Erkrankung zurückzuführen sein oder lediglich mit dieser einhergehen. Daneben kann die gesehene kardiovaskuläre Erkrankung auch Zeichen für beschleunigte Alterungsprozesse, Dysregulation des Immunsystems oder andere Mechanismen im Rahmen von COVID-19 sein.6

Patienten mit vorbestehender kardiovaskulären Erkrankungen sind für eine Ansteckung mit SARS-CoV-2 nicht anfälliger, jedoch anfälliger für die Entwicklung schwerwiegenderer Komplikationen.7 Es kommen mehrere potenzielle Mechanismen in Betracht weswegen Patienten mit einer kardiovaskulären Erkrankung häufiger von einer schweren COVID-19 Verlaufsform betroffen sind.

Neben direkten und indirekten SARS-CoV-2-bedingten myokardialen Schädigungen kardiovaskulär Erkrankter sind unter anderem kardiovaskuläre Nebenwirkungen der COVID-19-Therapie und Auswirkungen auf die kardiovaskuläre Versorgung von COVID-19-Patienten im Rahmen der Pandemie zu diskutieren.8

Myokardiale Schädigung bei COVID-19

Im Krankenhaus versorgte COVID-19 Patienten weisen in 12-28% der Fälle eine über ein erhöhtes kardiales Troponin definierte myokardiale Schädigung auf.9,10,11,12 COVID-19-Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen besitzen hierbei gegenüber Nicht-Vorerkrankten eine vierfach erhöhte Wahrscheinlichkeit erhöhter kardialer Troponinspiegel (54.5% vs 16%).10 Erhöhte Troponinwerte sind mit größerer Wahrscheinlichkeit mit einem schweren Krankheitsverlauf und höheren Krankenhausmortalität assoziiert.7,9,10,12,13,14,15,16 Ein letal endender COVID-19-Krankheitsverlauf weist dabei gegenüber einem nicht-letalem einen höheren und bis zum Tod anhaltenden Anstieg des kardialen Troponins auf.12

Im Speziellen zeigte sich bei Nachweis einer Erhöhung des kardialen Troponins eine Steigerung des Anteils derer die invasiv werden mussten um das 5-fache (22,0% vs. 4,2%) und derer die nicht-invasiv beatmet werden mussten um das 11-fache (46,3% vs. 3,9%) gegenüber denen ohne Auffälligkeiten des kardialen Troponins erhöht. Patienten mit myokardialer Beteiligung besitzen eine 11-fache (51,2% vs. 4,5%) höhere Mortalität als Patienten ohne kardiale Schädigung.7 Patienten mit ungünstigem Verlauf von COVID-19 sind zwar überpropotional häufig von vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen betroffen, aber auch unabhängig von der Vorgeschichte kardiovaskulärer Erkrankungen traten eine akute Myokardschädigung (ca. 75%) und eine akute Herzinsuffizienz (ca. 50%) bei verstorbenen Patienten mit COVID-19 signifikant häufiger auf.14 Erhöhte kardiale Troponin-Spiegel T oder I (cTnT bzw. cTNI) und das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit sind somit voneinander unabhängige Risikofaktoren eines ungünstigen COVID-19-Verlaufs.17

In der weiteren Differenzierung zeigte sich, dass die Krankenhausmortalität bei COVID-19 bei Patienten ohne vorbestehende kardiovaskulärer Erkrankung und unauffälligem cTnT bei rund 8%, bei vorbestehender vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankung ohne kardiale Troponin-Erhöhung bei 13%, bei Patienten ohne vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankung aber mit kardialer Troponinerhöhung bei 38% und bei Patienten die beides aufweisen bei 69% liegt.10

Abb.: Assoziation der Krankenhausmortalität von vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankung und Erhöhung des kardialen Troponin Ts nach Guo T et al. (2020)10

Das cTnT weist dabei eine signifikante lineare Korrelation mit dem C reaktiven Protein (CRP) und dem N-terminalen Pro-Brain-Natriuretischen Peptid (NT-proBNP) auf. Bei Patienten deren Erkrankung einen ungünstigen Verlauf nimmt steigt im Gegensatz zu denen die einen günstigen Verlauf aufweisen das cTnT und das NT-proBNP-Spiegel während des Aufenthalts signifikant an.10

Mechanismen der myokardialen Schädigung

Es werden verschiedene ursächliche Mechanismen COVID-19-assoziierter Myokardschädigungen diskutiert.18,19 Diese orientieren sich an den bekannten Ursachen einer kardialen Troponierhöhung kritisch Kranker20,21,22,23 und auf frühere Beobachtungen die im Rahmen der Ausbrüche des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS) und des respiratorischen Syndroms im Nahen Osten (MERS) gemacht wurden.24,25 Die verfügbaren Daten für COVID-19 sind derzeit noch gering.

Obwohl COVID-19 vordergründig eine Erkrankung der unteren Atemwege darstellt, ist sie als Multiorganerkrankung aufzufassen, die nicht nur die Lunge sondern auch andere Organe insbesondere Darm und das Herz-Kreislauf-System betrifft. Hierbei spielt die ACE2/Ang-(1-7)/MasR-Achse, die eine Komponente des Renin-Angiotensin-Aldosterin-Systems ist eine tragende Rolle.26 Die ACE2/Ang-(1-7)/Mas-Achse stellt einen Gegenregulator der ACE-Ang II-AT(1)-Rezeptor-Kaskade dar.27

ACE2 ist ein Transmembranprotein. Es gibt zwei Formen des ACE2-Proteins: die zelluläre (membrangebundene) Form und die zirkulierende (lösliche) Form.28 Das zelluläre ACE2-Protein ist das vollständige Protein. Dieses wird in Pneumozyten und Enterozyten des Dünndarms reichlich aber aber unter anderem auch in vaskulären Endothelzellen des Herzens exprimiert.29,30 Das zirkulierende ACE2 wird konkurrierend durch die Metalloprotease ADAM17 oder durch die Transmembranserinprotease vom Typ II, TMPRSS2 vom Zellmembran-ständigen ACE abgespalten.31 TMPRSS2 spaltet ACE2 jedoch anders als ADAM17. Das durch TMPRSS2-gespaltene ACE2 dient Viren wie SARS-CoV-2 als Bindungsrezeptor um in die Zellen von Lunge und Darm einzudringen. Wenn das Immunsystem nicht in der Lage ist, die Infektion abzuwehren, wird SARS-CoV-2 massiv repliziert, unterdrückt die Bildung zellulären ACE2, zerstört die Wirtszelle und führt zur Vermehrung von SARS-CoV-2 im Organismus.32 In Gang geraten kommt es zur Initiierung einer systemischen Inflammationsreaktion mit Zytokinsturm und konsekutiver Multiorgandysfunktion.

Abb.: Die verschiedenen Achsen des Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem nach Santos RA et al. (2008)27 mit deren vereinfachten Darstellung der ACE-Ang II-AT(1)- und der ACE2/Ang-(1-7)/Mas-Achse.
Abkürzungen: ACE= Angiotensin-Converting Enzyme, ACE2= Angiotensin-Converting Enzyme 2, Ang(1–7) Rezeptor Mas, Mas=NEP= Neutral‐Endopeptidase 24.11 (=Enkephalinase), PCP= Prolyl‐Carboxypeptidase, PEP= Prolyl‐Endopeptidase
(Grafiken modifiziert von Servier Medical Art, lizenziert unter einer Creative Common Attribution 3.0 Generic License. http://smart.servier.com/)

Systemische Inflammation (Zytokin-Sturm)

Bei Gesunden schränkt Ang-1-7 der ACE2/Ang-(1-7)/MasR-Kaskade des Renin-Angiotensin-Aldosterons die Synthese von pro-inflammatorischen und pro-fibrotischen Zytokinen ein. Eine durch SARS-CoV-2 bewirkte Downregulation von ACE2 mit konsekutiver Senkung der Ang-1-7-Spiegel könnte so zur Hochregulation pro-inflammatorischer Zytokine mit nachfolgender unkontrollierter, fulminanten Entzündungsreaktion führen.10,33 Passend hierzu zeigte sich eine signifikante lineare Korrelation zwischen dem kardialen Troponin und dem C-reaktiven Protein, was zumindest darauf hindeutet, dass eine Myokardschädigung eng mit der Entzündungspathogenese assoziiert ist.10

COVID-19 und das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System

Das Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) bewirkt wie erwähnt im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System die Umwandlung von Angiotensinogen-II (Ang-II) in Angiotensin-1-7, das den vasokonstriktorischen, pro-inflammatorischen, prooxidativen, proproliferativen und profibrotischen Wirkungen des Ang-II entgegenwirkt.34 SARS-CoV-2 nutzt wie SARS-CoV den TMPRSS2 gespaltenen zirkulierenden ACE2 als funktionellen Rezeptor zum Eintritt in die Wirtszelle und reguliert in der Folge ihrer Replikation die ACE2-Expression soweit herunter, dass ACE2 das schädliche Ang-II nicht mehr spalten kann.35,36,37 Wird ACE2 gehemmt kann Ang-II seine Wirkung frei entfalten und eine Gefährdung bei Patienten mit COVID-19 darstellen. ACE2-Rezeptoren sind jedoch nicht nur in Herz und Lunge sondern auch und in den Nieren, Gefäßendothelzellen und im Gastrointestinaltrakt lokalisiert.38 Das könnte ein multiples Organversagen bei einigen COVID-19-Patienten erklären. Die Bedeutung eines Ang-II/Ang-1-7-Ungleichgewichts bei COVID-19 wird aufgrund begrenzter Daten jedoch von dem eng verwandten SARS-CoV abgeleitet. Die klinische Bedeutung dieses Signalwegs bei schweren COVID-19-Verläufen und die mögliche Rolle der therapeutischen Beeinflussung dieses Rezeptors sind derzeit noch nicht vollständig bekannt.39 Rekombinantes ACE2 könnte so wird derzeit diskutiert konkurrierend den Eintritt von SARS-CoV2 in die Wirtszelle reduzieren und die ACE2-Aktivität und dessen positive Wirkung wiederherstellen.40 Derzeit bleibt hier das Ergebnis der derzeit diesbezüglichen Studie über die Verwendung von rekombinanten humanen ACE2 in der Behandlung von COVID-19 abzuwarten (NCT04335136).41

Abb.: Schematische Darstellung der Störung des Gleichgewichts zwischen Ang II und Ang-1-7 durch Infektion mit SARS-CoV-2. ACE= Angiotensin-Converting Enzym, ACE2= Angiotensin-Converting Enzym 2, Ang I= Angiotensin I, AngII =Angiotensin; Ang-(1-7)= Angiotensinogen-1-7, AT1 =Angiotensin Typ-1-Rezeptor, Pfeil rot = die Mikrozirkulation schädigender Einfluss, Pfeil schwarz= auf die Mikrozirkulation protektiv wirkender Einfluss.
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kardiale Auswirkungen

Es scheinen hohe Zytokinkonzentrationen der Schlüsselfaktor für die Myokardschädigung bei COVID-19 zu sein, da sie mit direkter Myokardverletzung, endothelialer Dysfunktion, Destabilisierung der koronaren Plaque und Mikrothrombogenese in Zusammenhang stehen.4 Aber auch eine direkte virale Schädigung der Kardiomyozyten wird diskutiert.

Abb.: Aktuell diskutierte Mechanismen der myolardialen Schädigung bei COVID-19.
(Grafiken modifiziert von Servier Medical Art, lizenziert unter einer Creative Common Attribution 3.0 Generic License. http://smart.servier.com/)

Myokarditis

Eine Myokarditis wird als Entzündung des Herzmuskels definiert, die nach etablierten histologischen, immunologischen und immunhistochemischen Kriterien diagnostiziert wird.42 Die pathologische Auswertung von Myokardbiopsien durch histologische Begutachtung, Immunhistochemie und molekularen Testmethoden ist die Schlüsselkomponente in der Diagnose, Behandlung und dem Verständnis der Myokarditis.43

Zahlreiche Viren binden direkt an molekulare Zielstrukturen im Myokard (= kardiotrope Viren). Entstehende Myokardschädigungen können durch unterschiedliche Mechanismen bedingt sein. In der Initialphase der viralen Myokarditis kommt es zu einer direkten virusvermittelten Lyse der Kardiomyozyten.44 Dieser folgt in der Regel eine starke T-Zell-Antwort, die zu einer weiteren Myokardschädigung führen kann.

Bei COVID-19 zeigte sich, dass das ACE2 als funktioneller Rezeptor für SARS-CoV-2 dient, um in die Wirtszelle einzudringen.45 Nach Eindringen in die Wirtszelle reguliert SARS-CoV-2 die ACE2-Expression herunter. ACE2 wird in den Perizyten des Herzens Erwachsener hoch expremiert, was auf eine intrinsische Empfindlichkeit des Herzens für eine SARS-CoV-2-Infektion hindeuten könnte. Patienten mit einer vorbestehenden Herzinsuffizienz weisen zudem eine gesteigerte ACE2-Expression auf.46 Die Schädigung der Perizyten durch die Virusinfektion kann zu einer Dysfunktion der kapillaren Endothelzellen führen, die dann eine mikrovaskuläre Dysfunktion auslöst.

Veröffentlichte Berichte zu histologisch bestätigten COVID-19-Myokarditiden sind bislang rar.47 Dies liegt unter anderem an der Zurückhaltung gegenüber Autopsien bei schweren Infektionskrankheiten.48,49 SARS-CoV-2 ist einer hohen Gefahrengruppe zugeordnet.51 Die histopathologischen Befunde in einem einzigen Fallbericht zeigte diffuse T-lymphozytäre entzündliche Infiltrate mit interstitiellem Ödem und begrenzten Nekroseherden, wobei jedoch keine SARS-CoV2-Viruspartikel dokumentiert worden sind.50 In einem anderen Fall mit schweren COVID-19-Verlauf wies die Histologie interstitielle mononukleäre Entzündungsinfiltrate des Myokards auf. 47 In einer anderen Fallstudie an 3 Patienten wurden mittels RT-PCR SARS-CoV-2-Viruspartikel im Herzgewebe identifiziert.52 Das Bild einer fulminanten Myokarditis, die als plötzliche und schwere Entzündung des Myokards mit Myozytennekrose, umgebenden Ödem und konsekutivem kardiogenen Schock definiert ist mit Nachweis von SARS-CoV2-Viruspartikeln lagen in keinem der Fälle vor. Die Evidenz einer möglichen spezifischen SARS-CoV-2-Myokarditis ist bislang nicht erbracht.53 Es wird aber vermutet, dass sich die Merkmale einer SARS-CoV-2-Infektion denen der SARS- und MERS-Coronavirus-Infektionen von 2003 und 2008 ähnlich sind.24,25,54

In allen anderen publizierten Fällen wurde die Verdachtsdiagnose einer COVID-19-assoziierten Myokarditis anhand klinischer Kriterien oder der subepikardialen späten Gadoliniumanreicherung in der Magnetresonanztomographie unter Berücksichtigung des kardialen Troponins und der elektrokardiographischen Veränderungen (T-Negativierungen) gestellt.55,56,57,58 Jedoch kann auch eine Stresskardiomyopathie (Takutsubo-Kardiomyopathie), deren Auftreten bei COVID-19 ebenfalls beschrieben wird, gleichartige Ekg- und echokardiographischen Veränderungen hervorrufen.59 Hier bleibt die Differenzierung schwierig.

Abb.:Abb.: Histologien des Myokards bislang veröffentlichter Berichte einer Myokarditis unter COVID-19 aus Sala S et al. (2020)51 und Xu Z et al. (2020)47

Störungen der Mikrozirkulation

Eine endotheliale Dysfunktion, ein Zytokinsturm, oxidativer Stress und eine Ang-II-Hochregulierung könnten die bei schwerer COVID-19 häufig auftretende Koagulopathie erklären.60 Etwa die Hälfte der Patienten mit COVID-19 weisen hohe D-Dimere auf, die mit der Schwere der Erkrankung und einer höheren Mortalität assoziiert sind.61,62 Die ausgeprägte D-Dimer-Erhöhung könnte auf eine massive Entzündungsreaktion zurückzuführen sein, die eine zunächst intrinsische Fibrinolyse in der Lunge und dann systemische stimuliert.

Ein in diesem Rahmen bestehender Zusammenhang mit einer Vaskulitis, ist in der Vergangenheit wiederholt diskutiert worden. In mehreren Studien wurde von einer Verbindung zwischen einer Coronavirus-Infektion und der Kawasaki-Krankheit berichtet.63,64,65 Auch in einer Fallserie von SARS-Patienten zeigten sich Befunde einer systemischen Vaskulitis, einschließlich Ödemen, lokalisierter Fibrinoidnekrose und Infiltration von Monozyten, Lymphozyten und Plasmazellen in Gefäßwände in Herz, Lunge, Leber, Niere, Nebenniere und quergestreifter Muskulatur.iv Bei SARS-CoV2 wurde dies bislang nicht dokumentiert.

Es wurde auch vermutet, dass mikrovaskuläre Schädigungen des Herzens ähnlich der der Nierenschäden von schweren COVID-19-Verläufen zu Perfusionsstörungen, Gefäßhyperpermeabilität und Vasospasmen mit der Folge einer Myokardschädigung führen könnte.66,67,68 Ein sicherer Beleg hierfür ist bislang nicht erbracht worden.

Myokardinfarkt

Es ist bekannt, dass Patienten mit vorbestehender koronarer Herzkrankheit bzw. mit Risikofaktoren für eine kardiovaskuläre Erkrankung ein erhöhtes Risiko besitzen bei viralen bzw. akuten respiratorischen Infektionen ein akutes Koronarsyndrom (ACS) zu entwickeln.70,71,72,73 Solches war bislang bei anderen Coronaviren nicht bekannt. SARS-CoV und SARS-CoV-2 scheinen sich anders zu verhalten.18 Es sind zwei Szenarien denkbar.

Der uns bekannte typische, durch eine Plaqueruptur mit Thrombusbildung verursachte Myokardinfarkt vom Typ 1 kann durch COVID-19 ausgelöst werden.74 Die bei COVID-19 freigesetzten, zirkulierenden Zytokine könnten hier zu einer atherosklerotischen Plaque-Instabilität und Ruptur führen.75 Zusätzlich kann die Dämpfung der ACE2-Expression und die damit verbundene Erhöhung von Ang-II das kardiovaskuläre Risiko durch oxidativen Stress, endotheliale Dysfunktion und Vasokonstriktion steigern.39 Da ACE2 u.a. in den vaskulären Endothelzellen exprimiert wird, könnte eine direkte virale Infektion Gefäße, die zu einer Plaque-Instabilität führt, auch bei Patienten mit COVID-19 eine Rolle bei Entwicklung eines Myokardinfarktes Typ 1 spielen.38,76

Eine Hypoxämie bei schwerem COVID-19-Verlauf könnte aufgrund des Ungleichgewichts zwischen Sauerstoffangebot und -bedarf in Verbindung mit Fieber, Tachykardie und endokriner Dysregulation zu einer myokardialen Ischämie im Sinne eines Myokardinfarktes vom Typ 2 führen.74 Erschwerend kann sich zudem eine durch die Hypoxämie bedingten intrazellulären Kalziumüberschuss mit der Folge einer kardialen Myozyten-Apoptose auswirken.69 Es ist daher möglich, dass eine bestehende stabile koronare Herzkrankheit infolge von COVID-19 als Myokardinfarktes Typ 2 durch die akute Infektion demaskiert wird.39

Interessanterweise sind kaum Berichte über Symptome und EKG-Veränderungen im Zusammenhang mit einem Myokardinfarkt im Rahmen von COVID-19 veröffentlicht worden.77 Spezifische Ekg-Veränderungen, die auf eine myokardiale Ischämis hinwiesen wurden in der Regel nicht beschrieben. Auch zeigte sich im Ekg bei Krankenhaus-Aufnahme bei letalen kardiovaskulären Verläufen keine spezifischen Auffälligkeiten.10 Die unter COVID-19 beschriebenen EKG-Veränderungen umfassen Sinustachykardien, SIQIII-Typ, Rechtsschenkelblockierungen, AV-Blockierungen, ST-Elevationen und diffuse T-Negativierungen sowie ventrikuläre Tachykardien.78 Sie sind in der Regel mit einem kritischen Status bei COVID-19 assoziiert. Die EKG-Veränderungen können verschiedene Manifestationen einer Myokardschädigung widerspiegeln. Sie können Ausdruck einer rechtsventrikulären Belastung, von lokalen Entzündungen des Myokards bzw. einer akuten Myokarditis wie auch einer myokardialen Infarzierung sein.77

Abb.: 42 jähriger Patient mit hochfebrilen Temperaturen von 40°C bei COVID-19. Elektroardiographisch imponiert ein Typ 2 Brugada-EKG-Muster. Bei initial und in den Kontrollen unauffälligem kardialen Troponin T kann eine akute myokardiale Infarzierung sicher ausgeschlossen und eine COVID-19-Myokarditis als unwahrscheinlich angesehen werden.79 Nach Absenkung der febrilen Temperaturen waren die Ekg-Veränderungen nicht mehr nachweisbar.

Über das Auftreten akuter Koronarsyndrome und Myokardinfarkte wurde auch während des ersten SARS-Ausbruchs 2003 berichtet.80 Es zeigte sich auch hier, dass die Infektion mit SARS-CoV ebenso wie SARS-CoV2 ein klinisch wesentlich breiteres klinisches Spektrum als eine alleinige atypische Lungenentzündung aufwies.

Ausblick

Derzeit kann keiner der beschriebenen Mechanismen definitiv als Hauptursache für eine Troponinerhöhung und/oder Myokardschädigung bei Patienten mit COVID-19 identifiziert werden. Vieles spricht dafür, dass viele Faktoren beteiligt sind. Durch ein Ungleichgewicht des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems scheint das Herz-Kreislauf-System früh in Mitleidenschaft gezogen zu werden und dies durch eine systemische Inflammationsreaktion, endotheliale Dysfunktion und mikrovaskuläre Schädigung aggraviert wird.

Das kardiale Troponin stellt nicht nur bei Patienten mit bekannter kardiovaskulärer Vorerkrankung bei COVID-19 einen nützlichen prognostischen Marker dar, um ggf. frühzeitig eine aggressivere Behandlung einzuleiten. Es erscheint sinnvoll bei COVID-19-Patienten das kardiale Troponin als Prognoseparameter bereits bei Krankenhausaufnahme und im Verlauf zu bestimmen.

Die Berurteilung einer kardialen Troponin-Erhöhung bei COVID-19-Patienten sollte auf der Grundlage der Schwere einer bestehenden systemischen Inflammation erfolgen.81 Das weitere therapeutische ggf. invasive kardiologische Vorgehen ist hiervon abhängig.

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